Ein (fast) normales Leben
Therese Bättig führt ein (fast) normales Leben. Die Diagnose Multiple Sklerose (MS) hatte zu Beginn – vor über 30 Jahren – vieles verändert. Sie lernte jedoch das Leben neu zu gestalten und sich nicht in ihrer Krankheit zu «suhlen».
Nach einer MRI-Untersuchung aufgrund eines Schubs wurde Therese Bättig 1992 die Diagnose Multiple Sklerose (MS) bestätigt. Für sie als Betroffene, aber auch für ihren Mann ein Schock.
Reha: Frau Bättig, wie haben Sie auf die Diagnose MS reagiert?
Therese Bättig: Da ich mehrheitlich beschwerdefrei war und mich gesund fühlte, negierte ich die Krankheit zu Beginn. Die häufig auftretenden Schübe änderten vorerst nichts daran. Als Ehepaar waren mein Mann und ich gewillt, uns der Krankheit zu stellen und lernten mit ihr umzugehen. Letztendlich wurde die MS zur Familienangelegenheit.
Wie hatte sich Ihr Alltag danach verändert?
Anfangs arbeitete ich ganz normal weiter. Die Schübe kamen nach einer Ruhephase von fünf Jahren zurück. Medikamente im Sinn einer Basistherapie standen damals nicht zur Verfügung. Bei der Marktzulassung von Interferonen gehörte ich zu den ersten Patienten, die diese Behandlung bekamen. Allerdings war die Wirkung nicht wie erhofft. Die Schübe traten recht häufig auf und die Symptome bildeten sich nur noch teilweise zurück.
Ferien stellten jeweils ein hohes Risiko für Schübe dar, vor allem in den warmen Sommermonaten. Die Reiselust liessen wir uns dadurch aber nie nehmen. In der kühlen Jahreszeit verreisen wir gerne nach Ägypten in ein Hotel mit angeschlossener Tauchbasis. Ich begleite meinen Mann regelmässig auf dem Tauchschiff und gehe, wenn es der Tauchplatz zulässt, mit Schwimmweste und Vollgesichtstauchmaske schnorcheln. So kann ich die bunte Unterwasserwelt auch in vollen Zügen geniessen.
Gestalteten Sie Ihr Leben bewusst anders?
Meine zwei Söhne wuchsen ganz natürlich mit meiner Krankheit auf und wir genossen in guten Zeiten ein aktives Familienleben. In schwierigen Zeiten nahmen wir einfach Schritt für Schritt und suchten Lösungen, um mit Einschränkungen umzugehen.
Ich würde gerne mehr selber machen und gesund sein. Dann aber tröste ich mich damit, dass es vieles gibt, das tatsächlich noch möglich ist. Jeder hat einen «Rucksack» zu tragen, ich eben auch. Meine Söhne und mein Mann tragen den Rucksack mit mir zusammen.
Sie sind eine sehr aktive Frau. Gibt es Reaktionen darauf aus dem Umfeld?
Wenn wir mit unserem Motorrad mit Seitenwagen unterwegs sind, realisieren einige Verkehrsteilnehmer, dass sich ein zusammengeklappter Rollstuhl auf dem Gepäckträger befindet. Die Reaktionen sind meistens positiv.
Seit einigen Jahren beteilige ich mich an einer Rollstuhltanzgruppe der Zürcher MS-Gesellschaft. Für die Hochzeit unseres Sohnes konnte ich meinen Mann zum Tanzen bewegen. Die Freunde des Hochzeitspaars fanden das toll, dass man mit Rollstuhl tanzt, und haben mich abwechselnd auf die Tanzfläche entführt.
Sie kommen seit 2007 regelmässig in die Klinik zur Therapie. Wie hilft Ihnen diese im Alltag?
Die Therapie nehme ich seit 2007 ambulant in Anspruch. Ich werde jeweils vom Fahrdienst des Roten Kreuzes oder meinem Mann gefahren. Das Therapieangebot ist vielseitig, aber beanspruchend. Um ein Höchstmass an Autonomie zu erhalten, wird intensiv gearbeitet.
Einmal jährlich komme ich drei Wochen stationär in die Reha, um möglichst viel «Reserven» für die Zeit bis zum nächsten stationären Aufenthalt zu erarbeiten. Die Physio- und Ergotherapie sind für mich die Stützen zu einem möglichst selbständigen Leben. Ergänzt werden die Therapien durch die Medizinische Trainingstherapie im Medical Fitness Rheinfelden und die Craniosacrale Therapie.
Haben Sie eine «persönliche Weisheit» durch Ihre Erkrankung erlangt?
Es geht tatsächlich darum, das Leben zu gestalten und sich nicht in seiner Krankheit zu «suhlen». Die berühmte Frage, ob das Glas nun halb voll oder halb leer ist. Ich habe mich entschieden, das Glas als halb voll zu sehen.
Reha Rheinfelden
Rehabilitationszentrum